Flüelen war von höchster verkehrstechnischer Bedeutung für die Gotthardroute, denn hier liefen die Warenströme, die auf dem Seeweg von Brunnen und Luzern her eintrafen, zusammen. Die Schiffahrt lag beinahe ausschliesslich in den Händen der Schiffergesellschaft, der jeder angehören musste, der Passagiere über die Kantonsgrenzen hinaus transportieren wollte. Für den Transport von Reisenden auf dem See bestanden feste, von der Regierung verordnete Tarife. So kostete beispielsweise die Fahrt von Flüelen nach Luzern in einem grossen, von 9 Mann gesteuerten Nauen 20 Gulden [entspricht 2024 etwa 570 Schweizer Franken]. Das lohnte sich wohl nur, wenn sich eine vielköpfige Reisegesellschaft den Preis aufteilen konnte. Daneben verkehrte aber auch ein Kursschiff, das montags früh nach Luzern fuhr und mittwochs wieder zurück kam. Dieses Kursschiff war anscheinend recht beliebt; die Beschreibung im Begleittext zu dieser Ansicht lässt uns an den heutigen Pendlerverkehr im Zug denken: "Reisende bezahlen im Nauen von Flüelen bis Luzern nur 3 Batzen [entspricht 2024 etwa 5 Schweizer Franken], müssen sich aber gefallen lassen im Gedränge vielen Volks 8-10 Stunden auf dem See zu seyn, manchen Witz, aber auch viel Dummes zu hören".
Karl Franz Lusser, Ansichten der St. Gotthards-Strasse von Flüelen bis Lugano, Zürich 1833, S. 33-34
Die Ansicht von Altdorf von Südosten zeigt die Lage des Fleckens leicht erhöht über der Reussebene am Fusse des Hubels. Vom Dorf selber sehen wir links das Kapuzinerinnenkloster St. Karl, an dem die Gotthardstrasse vorbeiführt, rechts die Pfarrkirche und ganz am rechten Bildrand das Kapuzinerkloster. Im Vordergrund führt die Hellgass nach Bürglen.
Die letzte Katastrophe war zum Zeitpunkt dieser Ansicht noch nicht lange her: "Im Jahr 1799. verbrannte fast ganz Altorf, wodurch den unglücklichen Einwohnern ein Verlust von 3. Millionen Schweizerfranken (16. auf einen Karolin) [im Jahr 2024 etwa 33 Mio. SFr.] verursacht wurde."
Johann Gottfried Ebel, Anleitung, auf die nützlichste und genussvollste Art die Schweitz zu bereisen, Bd. 2, Zürich 1809, S. 66
Amsteg liegt an der Gotthard-Transitachse im Kanton Uri. Wie alle Dörfer an diesem Alpenübergang war auch Amsteg vor allem ein Säumerdorf.
Goethe übernachtete im Hotel "Stern und Post", das im Jahr 1788 eröffnet wurde. Das Hotel gilt als eines der ersten Postämter der Schweiz und wurde im Jahr 1357 erstmals urkundlich erwähnt, was es zu einem der ältesten Gasthäuser der Zentralschweiz macht.
Ansichten der neuen St. Gotthards-Strasse von Fluelen bis Lugano 1833, Ansicht von Amsteg; https://schweizmobil.ch/de/ort-4-amsteg [7.06.2023]; https://denkmalpflege-schweiz.ch/2014/11/04/wo-einst-die-gotthardpost-stoppte-swiss-historic-hotel-stern-und-post-in-amsteg/ [7.06.2023]
Die Pfaffensprung-Brücke heisst so, "[...] weil laut alter Volkssage ein Mönch mit einem Mädchen flüchtend hier den gefährlichen Sprung über die Reuss gewagt haben soll. Die Brücke ist kurz, und wurde 1821 erweitert, und mit sehr schönen aus Gneus [Gneis] gehauenen Geländern versehen, der Bogen derselben ist 90 Fuss [rund 30m] über dem Wasser, welches sich tief im Schatten durch die enge, nackte, oben mit Gebüsch beschattete Felsenkluft hindurch zwängt."
Die Kirche von Wassen im Hintergrund erlangte nach der Eröffnung der Gotthardbahn 1882 Berühmtheit, weil sie von der Bahnstrecke dreimal aus verschiedenen Blickwinkeln zu sehen ist.
Karl Franz Lusser, Begleittext zum Werk Ansichten der St. Gotthards-Strasse von Flüelen bis Lugano, Zürich 1833, S. 50
Göschenen, damals noch Göschinen genannt, liegt im Kanton Uri. Im Jahr 1833 lebten in diesem Dorf hauptsächlich Säumer, die von den Waren, die durch Göschenen transportiert wurden, lebten. Bis zur Eröffnung der Strasse im Jahr 1830 und der Gotthardbahn im Jahr 1882 wurde hier auch mit Kristallen gehandelt. Göschenen entwickelte sich bis zur Eröffnung der Schöllenenbahn 1917 zu einem lebhaften Zentrum für Fuhrleute und Kutscher. In den 1900er Jahren war Göschenen besonders aktiv in der Granitindustrie, einem Gestein aus dem Gotthard.
Ansichten der neuen St. Gotthards-Strasse von Fluelen bis Lugano 1833, Ansicht von Göschenen; Hans Stadler, "Göschenen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 14.09.2005 [07.06.2023]; https://www.myswitzerland.com/de-ch/erlebnisse/goescheneralp-sanfter-tourismus-in-hartem-granit/ [7.06.2023]
Die Häderlisbrücke wurde 1649 an Stelle eines älteren Steges erbaut. In der Nacht vom 24. auf den 25. August 1987 zerstörte ein Hochwasser die historische Brücke. 1991 errichtete der Kanton Uri mit Hilfe des Bundes und des Schweizerischen Baumeisterverbandes an dieser Stelle eine baugleiche Steinbogenbrücke.
Seite „Häderlisbrücke“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 9. Juli 2022, 15:04 UTC [21.06.2024]
Der Begleittext informiert uns darüber, dass der Bogen der Teufelsbrücke von 1830 "[...] 55 Fuss im Lichte, und 21 Fuss Höhe hat, und dessen Mittelpunkt 95 Fuss über der darunter hinschäumenden Reuss erhaben ist; stolz blickt sie auf die noch stehende alte Teufelsbrücke, welche 75 Fuss über der Reuss steht, hernieder, als sprechender Zeuge, dass heut zu Tage die Menschen Riesenhafteres zu schaffen vermögen, als dasjenige ist, was der Aberglaube älterer Zeiten nur mit Hülfe des bösen Geistes für möglich hielt." Das kühne Bauwerk war laut Lussers Beschreibung also etwa 40 m hoch. Das Inventar Historischer Verkehrswege der Schweiz (IVS) gibt jedoch das weit geringere Mass von 15 m Höhe an. Hat Lusser übertrieben?
Im letzten Satz bezieht sich der Text auf die Legende, dass beim Bau der ersten Brücke in der Schöllenen, im tiefen Mittelalter, die verzweifelten Urner den Teufel angerufen hätten, er solle ihnen an dieser unmöglichen Stelle eine Brücke errichten. Der Teufel willigte ein, unter der Bedingung, dass die erste Seele, die über die neue Brücke gehen würde, ihm gehören werde. Die Urner wiederum trieben jedoch als erstes einen Ziegenbock über die Bücke, mit dem der Teufel dann Vorlieb nehmen musste. Die jüngste Teufelsbrücke wurde 1955/56 erbaut, während die Brücke von 1830 nur noch dem Fussverkehr dient.
Karl Franz Lusser, Begleittext zum Werk Ansichten der St. Gotthards-Strasse von Flüelen bis Lugano, Zürich 1833, S. 55; Bundesinventar der historischen Verkehrswege der Schweiz (IVS), UR 1.3.2 (PDF) [19.04.2024]
Dieser Tunnel war einer der ersten, der in der Gotthardregion gebaut wurde. Mit einer Länge von 64m war er 1833 der längste Tunnel der Schweiz und ermöglichte es, gefährliche Passagen zu vermeiden. Der vom Künstler gewählte Blickwinkel lässt den Betrachter die Genialität des Bauwesens und das Gotthardmassiv im Hintergrund sehen.
Ansichten der neuen St. Gotthards-Strasse von Fluelen bis Lugano 1833, Ansicht aus dem Urnerloch Richtung Andermatt; https://www.nb.admin.ch/snl/de/home/publikationen-forschung/thematische-dossiers/gotthard-ansichten/urnerloch.html [08.06.2023]
Das Urnerloch ist ein Tunnel im Kanton Uri auf der Gotthardroute. Es ist der erste Strassentunnel, der durch die Alpen gebaut wurde. Pietro Morettini, ein Schweizer Ingenieur, der auch im Dienst von König Ludwig XIV. stand, begann 1707 mit dem Bau und bohrte den Tunnel mit Schwarzpulver.
Ansichten der neuen St. Gotthards-Strasse von Fluelen bis Lugano 1833, Blick zurück aufs Urnerloch Richtung Schöllenenschlucht; Hans Stadler, "Schöllenen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 11.04.2011 [12.06.2023]; https://www.letemps.ch/societe/premier-trou-alpes [12.06.2023]
Nach der Passage der furchteinflössenden Schöllenen gelangte man ins Urserental, zunächst Andermatt: "Ein hübsches Pfarrdorf von ungefähr 80 Häusern, worunter mehrere von Stein und geschmackvoll gebaut sind. Es hat eine schöne geräumige Kirche, und auf einem Hügel über dem Dorf eine sehr artige Kapelle. Diess Dorf welches [...] in einer schönen Ebene am Fusse des Gurschen liegt, ist von 618 Menschen bewohnt." Seine Einwohner lebten zu einem guten Teil von der Käse- und Wein-Spedition, für die das Dorf aufgrund seiner Lage am Kreuzungspunkt von drei bedeutenden Alpenpässen (neben dem Gotthard noch die Furka und der Oberalppass) sehr geeignet war. Darüber hinaus war das Urserental für seinen eigenen Käse berühmt, der in grossen Mengen exportiert wurde. In Andermatt konnte man ausserdem prächtige Bergkristalle und Fossilien aus den umliegenden Bergen kaufen.
Karl Franz Lusser, Begleittext zum Werk Ansichten der St. Gotthards-Strasse von Flüelen bis Lugano, Zürich 1833, S. 63-S. 68; Johann Gottfried Ebel, Anleitung, auf die nützlichste und genussvollste Art die Schweitz zu bereisen, Bd. 2, Zürich 1809, S. 87-90
"Ein Dorf von 31 Häusern, 2 Gasthöfen, wovon der eine zum goldenen Löwen besonders zu empfehlen, einer schönen Kirche und niedlichen Kapelle, dem heiligen Carolus zu Ehren geweiht. Es liegt 4550 bis 4560 Fuss übers Meer, und ist von ungefähr 400 Seelen bewohnt".
Das zweite Dorf des Urserentales, Hospental, liegt am Fuss der eigentlichen Gotthard-Passstrecke. Links zweigt ausserdem die Strasse zum Furkapass ab. Neben dem Dorf erhebt sich auf einem Hügel der das Dorf beherrschende Turm, der im 13. Jahrhundert von der Familie von Hospental errichtet wurde, die von dort aus den Passverkehr kontrollierte.
Hans Stadler, "Hospental", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 16.02.2023 [22.04.2024]; Karl Franz Lusser, Begleittext zum Werk Ansichten der St. Gotthards-Strasse von Flüelen bis Lugano, Zürich 1833, S. 69
Bereits bevor die Schöllenenschlucht um 1200 passierbar gemacht wurde, bestand auf der Passhöhe eine dem heiligen Gotthard geweihte Kapelle. Dazu entwickelte sich mit dem zunehmenden Passverkehr ein Hospiz, das 1774 oder 1775 von einer Lawine zerstört wurde. Schliesslich wurde 1777 ein geräumigeres Hospital mit einem aufsehenerregenden achteckigen Pferdestall erbaut, in dem 47 Tiere gleichzeitig untergebracht werden konnten. Es wurde 1799 in den Napoleonischen Kriegen dem Erdboden gleichgemacht und nicht wieder aufgebaut. Kurz nach Entstehen dieser Ansicht wurde 1837 ein den gestiegenen Bedürfnis angepasstes Hospiz eröffnet.
Johann Gottfried Ebel, Anleitung, auf nützlichste und genussvollste Art die Schweitz zu bereisen, Bd. 3, Zürich 1810, S. 127-128; Bundesinventar der historischen Verkehrswege der Schweiz (IVS), TI 6.1.7 (PDF) [08.12.2023]; HLS DHS DSS, "Gotthardpass", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 30.08.2016, übersetzt aus dem Italienischen [08.12.2023]; Bundesinventar der historischen Verkehrswege der Schweiz (IVS), TI 6.2.3 (PDF) [22.04.2024]; Karl Franz Lusser, Begleittext zum Werk Ansichten der St. Gotthards-Strasse von Flüelen bis Lugano, Zürich 1833, S. 71-72
Die Tremola-Strasse ist auch heute noch das längste Strassenmonument der Schweiz. Auf der Tessiner Seite wurde diese Strasse zwischen 1827-1830 von Francesco Meschini, einem italienischen Architekten, gebaut und verbindet Göschenen mit Airolo. 24 Kurven bilden diese Strasse – und jede hat einen Namen! Heute ist diese Strasse historisch geworden, Motorräder und Radfahrer haben die Kutschen ersetzt, aber das Kopfsteinpflaster ist geblieben.
Ansichten der neuen St. Gotthards-Strasse von Fluelen bis Lugano 1833, Ansicht der Tremola-Brücke. Strasse nach S. Gotthard; https://www.myswitzerland.com/de-ch/erlebnisse/st-gotthard-pass-nostalgie-tremola/ [13.06.2023]; https://www.alptransit-portal.ch/de/ereignisse/ereignis/die-erste-chaussee-im-gebirge [13.06.2023]; https://www.ticino.ch/de/commons/details/Die-Tremolastrasse-/137877.html [13.06.2023]; https://www.rts.ch/play/tv/12h45/video/la-tremola-la-route-historique-qui-permet-de-relier-goeschenen-ur-a-airolo-ti-est-le-theatre-dun-bras-de-fer-qui-oppose-le-canton-du-tessin-a-plusieurs-institutions?urn=urn:rts:video:3510433 [21.06.2024]
Auf dieser Ansicht lassen sich schön die zwei verschiedenen Generationen der Gotthardstrasse beobachten. Ausser der neuen, sechs Meter breiten Chaussee ist nämlich auch noch der alte Saumpfad dargestellt, der nur etwa zweieinhalb Meter breit war – gerade breit genug, dass zwei vollbepackte Maultiere oder Pferde kreuzen konnten.
Auch hier sehen wir wieder die Rescana, Gestelle zum Trocknen von Roggen. Im Hintergrund zieht sich die Gotthardstrasse den Berghang hinauf, im Schatten erkennen wir noch die Spitzkehren in der Tremola.
Die vom Künstler dargestellte kleine Kapelle trägt den Namen Beata Vergine Stalvedro und ist der Jungfrau Maria geweiht. Sie wurde ursprünglich 1669 erbaut und 1766 umgebaut. Eine Besonderheit der Kapelle ist, dass sie auf einem achteckigen Grundriss errichtet wurde. Die Ansicht zeigt hier noch die alte Streckenführung vorbei an der Kapelle und entlang dem Tessin direkt durch die Schlucht. Später wurde die Strasse oberhalb der Kapelle mittels Tunnels und Galerien durch die Felsen geführt, was die Sicherheit für die Reisenden erhöhte und vor allem die Route unabhängig vom reissenden Tessin machte, der immer wieder den Weg durch die Schlucht gefährdete. Der Autor der Schrift, Karl Franz Lusser (1790-1859), beschreibt die Strecke wie folgt: "Unter Brugnasco scheint ein vom Fusse des Tonjio vorspringender Hügel die Strasse zu sperren, aber sie zwängt sich dicht am Tessin durch die mahlerische Felsenkluft, Stretto die Stalvedro genannt, hindurch. Diese Schlucht ist beherrscht durch einen alten, schon Anno 774 von dem Lombarden-Könige Desiderio erbauten Thurme. Wie mancher zog seit diese Mauern stehen, da noch froh und wohlgemuth vorüber, und fand kurz darauf beym Uebergang über den St. Gotthard, durch Frost, Lawinen oder Schneestürme seinen unerwarteten Tod!" Das Inventar der historischen Verkehrswege der Schweiz IVS beschreibt das Teilstück der Strasse unter der Nummer TI 4.5.13. Es wird angenommen, dass der Verlauf der Strasse dem alten Maultierpfad folgte, der sogenannten Mulattiera Urana (Strada Urana), von der Teile auch in der Schlucht unterhalb von Dazio Grande zu beobachten sind.
Ansichten der neuen St. Gotthards-Strasse von Fluelen bis Lugano, Zürich 1833, S. 45-46; Bundesinventar der historischen Verkehrswege der Schweiz (IVS), TI 4.5.13 (PDF) [21.06.2024]; https://www.ticino.ch/fr/commons/details/%C3%89glise-Beata-Vergine-Stalvedro/5116.html [16.11.2023]
Das Dazio Grande, was so viel wie "Grosser Zoll" bedeutet, ist ein imposantes Gebäude aus dem 16. Jahrhundert, das sich südlich des St. Gotthards befindet. Es war gleichzeitig ein Zollhaus für Waren, ein Ort zum Geldwechseln und Rasten für Pferde sowie ein Gasthaus für die Nacht. Das Gebäude nahm 1561 seinen Betrieb auf und wurde drei Jahrhunderte lang von den Urnern geführt. Seine Tätigkeit war bis 1882, als die Gotthardbahnlinie eröffnet wurde, ununterbrochen.
https://daziogrande.ch/ [13.06.2023]; https://www.ticino.ch/fr/commons/details/Dazio-Grande/3066.html [13.06.2023]
Wenn wir in den Hintergrund dieser Komposition blicken, sehen wir eine Kutsche der Gotthardpost, welche durch die enge Schlucht herunterfährt. Diese Kutsche fuhr täglich auf der Gotthardroute von Flüelen über den Vierwaldstättersee bis zum Ende des Comer Sees. Die Reise war lang; sie wurde in 23 Stunden zurückgelegt. Der Verkehr wurde mit der Eröffnung des Gotthardpasses im Jahr 1882 eingeschränkt und Anfang des 20. Jahrhunderts ganz eingestellt. Heute wird diese Verbindung wieder als touristischer Ausflug angeboten.
Ein Gemälde von Rudolf Koller, das im Kunsthaus Zürich zu sehen ist, zeigt die Abfahrt einer Kutsche der Gotthardpost mit ihren Pferden. Die Stimmung, die durch das Werk hindurchscheint, ermöglicht es dem Betrachter, sich die Empfindungen während der Fahrt vorzustellen.
Die Ponte di Mezze in der Gola di Monte Piottino wurde 1823 erbaut und ist als einzige der drei Brücken in dieser Schlucht bis heute erhalten geblieben. Sie wird nicht mehr für den Strassenverkehr benutzt, kann aber zu Fuss überquert werden.
Bundesinventar der historischen Verkehrswege der Schweiz (IVS), TI 4.5.9 (PDF) [22.04.2024]
In Faido treffen Lusser zufolge "deutsche und welsche Sitten" aufeinander. So bestehen der südalpine Steinbau und nordalpiner Blockbau nebeneinander, der Laufbrunnen erinnere an die deutsche Schweiz. Tracht und Lebensart der Bewohner seien aber ganz italienisch. Im Ancien Régime diente Faido als Sitz des Urner Landvogts, der hier mit harter Hand regierte. Die rund 500 Einwohner lebten neben dem Durchgangsverkehr von Landwirtschaft und Viehzucht.
Karl Franz Lusser, Begleittext zum Werk Ansichten der St. Gotthards-Strasse von Flüelen bis Lugano, Zürich 1833, zweite Lieferung, S. 49-53
"Giornico ist durch die Gotthardsstrasse sehr belebt; man findet da bey Herrn Giudici eine gute Herberge und freundliche Bedienung, was im Tessin, wie in Italien, nicht immer der Fall ist. Anfangs Juny ist hier ein Jahrmarkt, der nächst dem von Lugano für den wichtigsten des Cantons gehalten wird. Bey Giornico ist das Thal noch enge, die Landschaft ziemlich wild, aber mahlerisch; mehrere Giessbäche plätschern in tausend kleinen Fällen über die Gebirge hinab und erfüllen die Luft mit ihrem Geräusche; aber gleich ausserhalb Giornico verflächt, und öffnet sich das Thal immer mehr, und läuft die Strasse über fruchtbare Felder nach Bodio dahin."
Karl Franz Lusser, Begleittext zum Werk Ansichten der St. Gotthards-Strasse von Flüelen bis Lugano, Zürich 1833, zweite Lieferung, S. 55
"Bodio selbst liegt in der Mitte von Unterlivinen [die untere Leventina] in einer fruchtbaren Ebene. Hier fühlt man sich, vom Gotthard herkommend, zuerst in Italien; Feigen- und Maulbeerbäume umgeben den Ort, Reben ranken ganz nach italienischer Art an Bäumen empor, oder bilden grosse Lauben, auf den Feldern wird Panicum esculentum [eine Hirsenart] gebaut, welches weiter nördlich nicht angetroffen wird."
Karl Franz Lusser, Begleittext zum Werk Ansichten der St. Gotthards-Strasse von Flüelen bis Lugano, Zürich 1833, zweite Lieferung, S. 56
Der unterste Teil der Leventina, Riviera genannt, weist schon ganz italienisches Klima auf. Dementsprechend gut gediehen hier die Maulbeerbäume, die die vorzüglichste Seide der italienischen Schweiz hervorbrachten. Ansonsten wurde das landwirtschaftliche Potenzial der Ebene anscheinend nicht ausgeschöpft, was mit den häufigen Naturkatastrophen zusammenhängen dürfte, die das Tal immer wieder heimsuchten. So wurde die Gegend 1515 von der Buzza di Biasca, einer gewaltigen Schlammlawine, komplett zerstört und auch im 18. Jahrhundert kam es immer wieder zu Bergstürzen, Murgängen und Überschwemmungen des Ticino.
Karl Franz Lusser, Begleittext zum Werk Ansichten der St. Gotthards-Strasse von Flüelen bis Lugano, Zürich 1833, zweite Lieferung S. 57-60; Christophe Bonnard, "Buzza di Biasca", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 04.11.2004, übersetzt aus dem Französischen [23.04.2024]
"Bellinzona ist einer der drey Hauptorte des Cantons Tessin, [...] in einem Engpasse des Tessinthals gelegen, von drey alten Schlössern beherrscht, von einigen Klöstern umgeben, zählt es 1300 Einwohner, welche 136 Häuser bewohnen. Diese Stadt, während der Dauer der Mediationsacte Hauptort des ganzen Cantons, ward bedeutend verschönert; neue Häuser ganz nach italienischem Geschmack erhoben sich, alle Strassen wurden neu gepflastert."
Karl Franz Lusser, Begleittext zum Werk Ansichten der St. Gotthards-Strasse von Flüelen bis Lugano, Zürich 1833, zweite Lieferung, S. 61
"Die Stadt Lugano ist der beträchtlichste und reichste Ort des ganzen Tessins, Bezirks- und Kreisort, und eine der Hauptstädte dieses Cantons. [...] Die Stadt enthält circa 390 zum Theil sehr schöne Häuser und sieben Klöster, gute Wirthshäuser, worunter die "grande Auberge Suisse" des Herrn Rossi, einer der besten Schweizerischen Gasthöfe ist. [...] Lauis [der alte deutsche Name der Stadt] zählt 3600 Einwohner, wovon viele sehr wohlhabend sind. Es herrscht aber auch da viel Gewerbsfleiss, und die Güterversendung über die Alpen von und nach der Lombardey u. s. w. beleben den Ort sehr. - Unter den Fabriken sind die von Seide und Taback die bedeutendsten; mehrere Gerbereyen, Huthfabriken und Buchdruckereyen beschäftigen viele Hände, wie auch die in der Nähe sich befindenden Eisen-, Kupfer- und Messinghämmer. Ebenfalls grossen Erwerb gewährt der jährlich im Herbst gehaltene berühmte Viehmarkt, der für die Gebirgs-Cantone der Schweiz und des Vorarlbergs von grösster Wichtigkeit ist [...]."
Karl Franz Lusser, Begleittext zum Werk Ansichten der St. Gotthards-Strasse von Flüelen bis Lugano, Zürich 1833, zweite Lieferung, S. 68
"Unter den mannigfachen lieblichen Spaziergängen und Standpunkten um Locarno gewährt aber vorzüglich das Kloster Madonna del Sasso eine herrliche Aussicht und kein Reisender sollte bey guter Witterung sie unbesucht lassen."
Vielleicht stiegen schon immer Menschen für die schöne Aussicht auf den Felssporn in der Gemeinde Orselina oberhalb Locarno, aber vor allem waren es Pilger, die zu dem Heiligtum wallfahrteten. 1480 war einem Franziskaner an dieser Stelle die Muttergottes erschienen, worauf eine Kapelle erbaut und 1616 zur heutigen Kirche Santa Maria Assunta erweitert wurde. Das zugehörige Kloster wurde 1848 aufgehoben, 1852 unter der Leitung von Kapuzinern aber wieder besiedelt. In der Kirche befinden sich bedeutende Kunstwerke, darunter Gemälde von Bramantino (1456-1530) und Antonio Ciseri (1821-1891).
Locarno war durch seine Lage am Lago Maggiore wichtiger Etappenpunkt auf der Route zu den Alpenpässen. So wurde denn auch schon früh das neuste Transportmittel eingesetzt: "Seit 1826 macht das Dampfschiff il Verbano täglich die Fahrt von Magadino bis Sesto Calende; Abfahrt von Magad. Morgens 6 Uhr, Ankunft in Sesto Mittags, und Rückkehr nach Magad. Abends 8 Uhr; - Taxe 12 Franken franz. [entspricht 2024 etwa 215 Schweizer Franken]."
Karl Franz Lusser, Begleittext zum Werk Ansichten der St. Gotthards-Strasse von Flüelen bis Lugano, Zürich 1833, zweite Lieferung, S. 72; Daniela Pauli Falconi, "Madonna del Sasso", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 28.08.2008, übersetzt aus dem Italienischen [29.04.2024]
Karl Franz Lusser, Begleittext zum Werk Ansichten der St. Gotthards-Strasse von Flüelen bis Lugano, Zürich 1833; Bundesinventar der historischen Verkehrswege der Schweiz (IVS), UR 2.2 (PDF) [29.04.2024]; Hans Stadler, Lusser, Karl Franz, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 20.10.2009. [03.05.2024]; Joseph Meinrad Kälin in SIKART [29.04.2024]; Jakob Suter in SIKART [29.04.2024]; Johann Jakob Meyer in SIKART [29.04.2024]; Caspar Scheuchzer in SIKART [29.04.2024]; Tapan Bhattacharya, Scheuchzer, Wilhelm Rudolf, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 26.07.2011. [29.04.2024]; Conrad Caspar Rordorf in SIKART [29.04.2024]; Lukas Weber in SIKART[29.04.2024]; Rudolf Bodmer in SIKART [29.04.2024])