Die Faszination der Details
Die Werke der Kleinmeister bezaubern nicht allein durch ihre Farbigkeit und die Sujets, die sie abbilden, sondern gleichermassen durch die Fülle der Details. Betrachtet man sie aus der Nähe, wird deutlich, wie raffiniert die Kleinmeister vorgingen, um unterschiedliche Effekte zu erzielen.
Johann Hürlimann nach Gabriel Mathias Lory, Vue d'une partie du Lac de Thoune, 1822, kolorierte Aquatinta.
Spiegelungen im Wasser I
Zunächst jedoch, zum Einstieg, eine «normale» Druckgraphik: In der Stahlradierung Thun, with the Bernese Alp aus William Beatties Buch Switzerland wird die Spiegelung der Stadtsilhouette in der Aare durch parallel gesetzte Linien hervorgerufen.
Robert Wallis nach William Henry Bartlett, Thun, with the Bernese Alps, 1834, Stahlradierung.
Spiegelungen im Wasser II
In ähnlicher Weise hat Johann Jakob Biedermann in der Vûe de Lachen die Spiegelung im Zürichsee durch zahllose Punkte und Striche wiedergegeben.
Johann Jakob Biedermann nach Heinrich Rieter, Vûe de Lachen, sur le lac de Zurich, um 1795, kolorierte Umrissradierung.
Spiegelungen im Wasser III
Vollkommen ruhig erscheint dagegen die Spiegelung in der Vue de l'Isle de Schwanau von Gabriel Ludwig Lory.
Gabriel Ludwig Lory nach Karl Ludwig Zehender, Vue de l'Isle de Schwanau, sur le Lac de Lowerz, aus: Recueil de paysages suisses dessinés d'après nature, 1797/98, kolorierte Umrissradierung.
Spiegelungen im Wasser IV
Im Vergleich mit der Linientechnik der Radierung liessen sich mithilfe der Flächentechnik der Aquatinta konturlose, das heisst verschwommene Spiegelungen erzielen. Das lässt sich am Blatt Chemin de Wesen á Ammon von Gabriel Mathias Lory besonders gut beobachten.
Johann Hürlimann nach Gabriel Mathias Lory, Chemin de Wesen à Ammon audessus du Lac de Wallenstadt, aus: Souvenirs de la Suisse, 1829, kolorierte Aquatinta.
Wasserfälle - Radierung und Aquatinta I
Die Darstellung von stürzendem Wasser, schäumenden Wogen und aufsteigender Gischt war eine besondere künstlerische Herausforderung für die Kleinmeister. Sie liess sich mit den druckgraphischen Techniken der Radierung und Aquatinta auf unterschiedliche Art und Weise bewältigen. Die Radierung als Linientechnik steht dem Eindruck einer Zeichnung nahe, die Aquatinta als Flächentechnik dem Eindruck eines Gemäldes.
Johann Georg Seiller nach Felix Meyer, Prospect gegen dem Schloss Pfungen im Zürich Gebieth, aus: Underschiedliche rare Prospecten von Gebürg und Wasserfällen in dem Schweizerland, um 1720, Radierung.
Franz Hegi nach Johann Heinrich Wüest, Schute d'Eau a Weislingen aux Environs de Kybourg Canton de Zurich, um 1795, Aquatinta in zwei Brauntönen.
Wasserfälle - Radierung und Aquatinta II
Die verschiedenen Wirkungen, die sich aus der Radierung und der Aquatinta im Zusammenspiel mit der Kolorierung ergeben, lassen sich besonders gut an einer Umrissradierung von Gabriel Ludwig Lory und einer Aquatinta seines Sohnes Gabriel Mathias studieren.
Gabriel Ludwig Lory, Chute du Giessbach au Bord du Lac de Brientz, aus: Recueil de paysages suisses dessinés d'après nature, 1797/98, kolorierte Umrissradierung.
Gabriel Mathias Lory, La Cascade du Giessbach, aus: Voyage pittoresque de l'Oberland bernois, 1822, kolorierte Aquatinta.
2 x das Gleiche ?
Im Unterschied zu Zeichnungen und Gemälden, die Unikate sind, kann es von einer Druckgraphik viele Exemplare geben. Betrachtet man sie jedoch im Detail, treten oft spannende Unterschiede zu Tage.
Johann Hürlimann nach Gabriel Mathias Lory, Vue du Port de Fluelen dans le Canton d'Uri, aus: Souvenirs de la Suisse, 1829, kolorierte Aquatinta.
2x das Gleiche ?
So wurde die Ansicht von Flüelen von Gabriel Mathias Lory herausgegeben, ehe der Zürcher Hans Felix Leuthold die Platte übernahm und um 1850 neu verlegte.
Johann Hürlimann nach Gabriel Mathias Lory, Vue du Port de Fluelen dans le Canton d'Uri. aus: Vues Suisses dessinées par G. Lory, et gravées, um 1850, kolorierte Aquatinta.
Gleiche Platte – unterschiedliches Druckbild
Von einer Kupferplatte lassen sich nicht unbeschränkt viele Abzüge drucken. Beim linken Blatt handelt es sich um einen frühen Abzug, beim rechten um einen späten. Striche, die auf dem linken Detail satt und schwarz gedruckt sind, sind auf dem rechten Details teils kaum mehr zu sehen – finden Sie die weitere Unterschiede im Bildvergleich!
Balthasar Anton Dunker, Vuë d'Avenches, um 1790, kolorierte Umrissradierung.
Balthasar Anton Dunker, Vuë d'Avenches, um 1796, kolorierte Umrissradierung.
Verschiedene Zustände oder verschiedene Platten?
Manchmal fällt es nicht leicht zu sagen, ob Abzüge von der gleichen Platte oder verschiedenen Platten stammen, so minim sind die Unterschiede. Vergleichen Sie zwei Exemplare der Vue du Village et du Lac de Brientz von Johann Ludwig Aberli und fällen Sie ihr eigenes Urteil: ist es die gleiche Druckplatte in verschiedenen Zuständen oder sind es zwei verschiedene Platten?
Johann Ludwig Aberli, Vue du Village et du Lac de Brientz, nach 1780, kolorierte Umrissradierung.
Johann Ludwig Aberli, Vue du Village et du Lac de Brientz, nach 1780, vermutlich von Heinrich Rieter kolorierte Umrissradierung.